In einem alten Volkslied aus dem 18. Jahrhundert werden die Gedanken als frei bezeichnet.  Gleiches geschieht in einem Buch zur Geschichte der Gedankenfreiheit. Darin steht geschrieben, dass Gedanken frei sind und ein Mensch niemals am Denken gehindert werden kann, solange er verheimlicht, was er denkt.  Handelt es sich dabei um eine zeitlose Feststellung, oder muss man diese im gegenwärtigen Kontext doch kritisch hinterfragen? Oder waren Gedanken bisher nur frei, weil sie unergründlich, dass heißt nur schwer oder gar nicht erraten werden konnten? Gerade die Annahme der Unergründlichkeit war bislang auf die Unzugänglichkeit der menschlichen Gedanken zurückzuführen. Diese aber scheint nun im Lichte rapider Fortschritte auf den Gebieten der Neurotechnologie, der Computerwissenschaften und vor allem der Künstlichen Intelligenz (KI) vermehrt infrage gestellt werden zu müssen. In regelmäßiger werdenden Abständen berichten Medien über neue Möglichkeiten, Gedanken zu lesen oder anderweitig die diversen Mysterien des menschlichen Gehirns offenlegen zu können.  Diese Forschungsfortschritte sind KI in Verbindung mit Big Data, Neurotechnologien, Magnetresonanztomografie (MRT), Eye-Tracking, Hirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interfaces – BCI) und großen Sprachmodellen (Large Language Models [LLMs]) zu verdanken.